BGH, Urteil vom 23.11.2011 – Unterhalt, Ehegattenunterhalt, ehebedingter Nachteil

a) Dass der Unterhaltspflichtige mit der Herabsetzung gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB a. F. eines nach altem Recht nicht befristbaren Unterhaltsanspruchs - hier Anspruch auf Altersunterhalt - ausgeschlossen war, steht einer Herabsetzung und/oder Befristung des Unterhalts nach § 1578 b BGB nicht entgegen.

b) Der durch die Eheschließung bedingte Wegfall eines aus einer früheren Ehe herrührenden Unterhaltsanspruchs stellt keinen ehebedingten Nachteil im Sinne von § 1578 b BGB dar.

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Urteil

Gericht         : BGH 
Datum           : 23.11.2011 
Aktenzeichen    : XII ZR 47/10 
Leitparagraph   : BGB §313, BGB §1578b 
Quelle          : NJW 2012, S. 309 
Kommentiert von : RA Simon Heinzel

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Inhalt:

Die Parteien waren von 1978 bis 1987 verheiratet. Im Jahr 2003 wurde vor dem OLG ein Unterhaltsvergleich geschlossen, in dem der Mann der Zahlung des vollen Altersunterhaltes für die Frau auf Basis beiderseitiger Renteneinkünfte sowie des eigenen Wohnvorteils zugestimmt hatte, obwohl seinerzeit der Unterhalt im erstinstanzlichen Verfahren gemäß § 1578 Abs. 1 S. 2 BGB alte Fassung (vor dem 1.1.2008) herabgesetzt worden war. Im hier zugrunde liegenden Verfahren hat das Amtsgericht den Unterhalt herabgesetzt und bis Mitte des Jahres 2011 befristet. Das OLG hat auf Berufung der Frau das Urteil des AG aufgehoben und die Klage des Mannes abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Mann mit seiner vom OLG zugelassenen Revision.

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Der streitige Unterhaltsvergleich aus dem Jahr 2003 kann abgeändert werden, wenn seit dem Vergleichsschluss eine wesentliche Änderung der Rechtslage eingetreten ist. Wegen der endgültigen Befristung des sogenannten Altersunterhaltes, die das AG ausgesprochen hatte, ist dies erst seit dem 1.1.2008 möglich, mithin eine deutliche Veränderung der Rechtslage. Wegen der vorherigen Herabsetzung hat das OLG eine Veränderung der Rechtslage verneint, da auch nach alter Rechtslage vor dem 1.1.2008 und auch vor der insoweit veränderten Rechtsprechung des BGH aus dem Jahr 2006 bereits eine solche Herabsetzung möglich gewesen wäre. Dies sieht der BGH anders, erstmals mit Einführung des § 1578 b Abs. 3 BGB ist es möglich, die Unterhaltsbegrenzung nach Zeit und Umfang zu kombinieren. Der BGH wendet daher § 1578 b BGB vollumfänglich an. Einer Begrenzung/Befristung stünden ehebedingte Nachteile entgegen. Dass die Frau durch die Eheschließung mit ihrem 2. Ehemann (jetziger Kläger) ihren nicht begrenzbaren Unterhaltsanspruch gegen ihren 1. Ehemann aus § 58 EheG durch Wiederverheiratung verlor, ist ein Nachteil, der auf dem Gesetz beruht und gerade nicht auf der Aufgabenverteilung in der Ehe. Er ist somit nicht ehebedingt. Das OLG ging noch davon aus, dass der Wegfall eines Unterhaltsanspruches aus einer Erstehe ein ehebedingter Nachteil in der 2. Ehe ist. Dem hat der BGH ausdrücklich widersprochen.

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Der BGH hat sodann noch geprüft, ob das gebotene Maß nachehelicher Solidarität einer Befristung entgegenstehen kann. Da es sich im vorliegenden Fall um eine relativ kurze und kinderlose Ehe gehandelt hat, bereits 20 Jahre Unterhalt geleistet wurde und dadurch eine zunehmende Entflechtung der wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten ist, ist eine Befristung entsprechend der Entscheidung des Amtsgerichtes geboten.

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Der BGH hat damit klargestellt, dass der gesetzgeberische Wortlaut „Nachteile, die durch die Ehe …. eintreten“ so auszulegen ist, dass nur aus der ehezeitlichen Rollenverteilung resultierende Nachteile ehebedingt sind. Weiterhin ist klargestellt, dass, wenn nach altem Recht keine Herabsetzung/Befristung möglich war, dass dies unter Berücksichtigung der ehelichen Solidarität und des Vertrauensschutzes im Rahmen des § 1578 b BGB nach neuem Recht möglich ist.

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Durch das Urteil des BGH wird deutlich, dass der sogenannte „ehebedingte Nachteil“ ein Kernbegriff des neuen Unterhaltsrechts ist. Vorliegend bejaht der BGH wegen Fehlens solcher ehebedingter Nachteile eine Herabsetzung mit anschließender Befristung. Vorrangig kommt es auf die Dauer der Kindesbetreuung, Rollenverteilung in der Ehe und Ehedauer an. Sonstige Umstände können jedoch auch Berücksichtigung finden. Den Wegfall des Unterhaltsanspruchs der Ehefrau gegen den ersten Ehemann sieht der BGH nicht als ehebedingten Nachteil an (anders noch: Palandt/Brudermüller, BGB, 71. Auflage, § 1578 b, Rdn. 11~ Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 8. Auflage, § 4, Rdn. 1024 u. a.). Der BGH differenziert danach, ob sich der Nachteil aus der Heirat ergibt (dann nicht ehebedingt) oder erst aus der Aufgabenverteilung in der (neuen) Ehe – dann ehebedingt. Diese Rechtsauffassung kann man auch kritisch sehen, denn es erscheint relativ „egal“, ob die unterhaltsbedürftige Ehefrau wegen der Heirat und der neuen Aufgabenverteilung in der Ehe ihre gut dotierte Arbeitsstelle aufgibt oder ob sie ihren unbefristeten Unterhaltsanspruch gegen den früheren Ehemann verliert (Born, NJW 2012, Seite 311/312 mit der provokanten Frage: „Ist nicht gerade das „ehebedingt“, was zwingende Folge einer Heirat ist?“). Ausdrücklich sei darauf hingewiesen, dass der Aspekt der nachehelichen Solidarität auch bei Fehlen ehebedingter Nachteile gegen eine Herabsetzung/Befristung sprechen kann (wenn z. B. die Frau dem Mann für seine Karriere „den Rücken freigehalten hat“). Alter und schlechter Gesundheitszustand, da schicksalhaft, rechtfertigen für sich keine lebenslange Lebensstandardgarantie. Im vorliegenden Fall standen einem nur 5-jährigen Zusammenleben und einer kinderlosen 9-jährigen Ehe Unterhaltszahlungen von über 20 Jahren gegenüber, sodass die nacheheliche Solidarität in jedem Fall „aufgebraucht“ war.