Elternunterhalt - BGH - 07.10.2015

 

1. Der Unterhaltsbedarf des Elternteils bestimmt sich grundsätzlich durch seine Unterbringung in einem Heim und deckt sich regelmäßig mit den dort anfallenden Kosten.

2. Hat der sozialbedürftige Unterhaltsberechtigte zu den Kriterien der Heimauswahl noch keinen Vortrag gehalten, genügt der Unterhaltsberechtigte seiner Obliegenheit zum substantiierten Bestreiten dadurch, dass der konkrete, kostengünstigere Heime und die dafür anfallenden Kosten benennt.

3. Grundsätzlich ist der sozialhilfebedürftige Unterhaltsberechtigte nicht darauf beschränkt, die Kosten der Heimunterbringung zum einzigen Auswahlkriterium zu erheben. Hat er die Wahl zwischen mehreren Heimen im unteren Preissegment, steht ihm insoweit ein Entscheidungsspielraum zu. Außerhalb dieses Preissegments hat der Unterhaltsberechtigte demgegenüber besondere Gründe vorzutragen, aus denen sich ergibt, dass die Wahl des Heims aus dem unteren Preissegment nicht zumutbar war.

Beschluss:
Gericht: BGH
Datum: 07.10.2015
Aktenzeichen: XII ZB 26/15
Leitparagraph: BGB §1603, §1610, §1671, §1684~ GG Art. 6 II, 3I
Quelle: FamRZ 2015, Seite 2138~ NZFam 2015, Seite 1148

Kommentierung:

Das Thema „Elternunterhalt“ bleibt aktuell und wird auch in Zukunft eine nicht zu unterschätzende Rolle im Unterhaltsrecht einnehmen. Wie bekannt, geht der Unterhaltsanspruch nicht nur von den Kindern zu ihren Eltern, sondern auch umgekehrt von den Eltern in Richtung ihrer Kinder (§ 1603 BGB). Das Maß des Unterhaltes wird durch die Lebensstellung des Unterhaltsbedürftigen bestimmt (§ 1610 BGB). Hat der Elternteil bisher am Rande des Existenzminimums gelebt, muss das Kind – selbst bei unbeschränkter Leistungsfähigkeit – kein teures Altenheim finanzieren. Andererseits muss das Kind in Fällen, in denen der Aufenthalt im Heim unvermeidbar ist, die Kosten selbst tragen, selbst dann, wenn der Heimstandard höher liegt als der bisherige Lebensstandard des Elternteils. Der BGH hat mit seiner Entscheidung die Fragen der Heimauswahl ein wenig näher konkretisiert:

  • Hat das Kind die Auswahl des Heimes selbst/mit beeinflusst, sind die Kosten grundsätzlich für das Kind zumutbar. Bedauerlicherweise differenziert jedoch der BGH nicht danach, ob die Heimauswahl in aller Ruhe oder zunächst unter großem Zeitdruck – beispielsweise in Notfällen – erfolgt ist.
  • Außerhalb eines sogenannten unteren Preissegments unterliegt es dem Elternteil/Sozialamt grundsätzlich Gründe vorzutragen, warum ein Heim im unteren Preissegment nicht zumutbar sei. Gründe können sein, dass es in günstigeren Heimen keine freien Kapazitäten gab oder dass der Elternteil zunächst über einen längeren Zeitraum die Heimunterbringung selbst finanziert hat und erst während der Unterbringung – z. B. wegen höherer Pflegestufe – auf Fremdmittel angewiesen ist.
  • Allein der Einwand des Kindes, das Heim sei zu teuer, reicht nicht. Das unterhaltsverpflichtete Kind muss konkrete Heime und die dortigen Kosten nennen und letztendlich eine günstigere Heimunterbringung aufzeigen. Dann dreht sich die Darlegungs- und Beweislast um, dann muss der Elternteil/Sozialhilfeträge darlegen und beweisen, dass ein höherer Bedarf notwendig ist.
  • Der BGH hat in seiner Entscheidung auch darauf hingewiesen, dass zusätzliche Altersvorsorge des Ehegatten des unterhaltspflichtigen Kindes bei der Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen ist.