Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 19.2.2013 – Steuerrecht, Kosten

Die Prozesskosten für die Ehescheidung, einschließlich der gewillkürten Folgesachen (hier: Zugewinn und nachehelicher Unterhalt), sind auch im Falle der gerichtlichen Vergleichsprotokollierung als zwangsläufig entstandene Kosten als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 Abs. 1 EStG steuermindernd zu berücksichtigen.

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Urteil

Gericht         : Finanzgericht Düsseldorf 
Datum           : 19.2.2013 
Aktenzeichen    : 10 K 2392/12E 
Leitparagraph   : § 33 Abs. 1 EStG 
Quelle          : „BILD“ vom 11.4.2013, Seite 1 
Kommentiert von : RA Simon Heinzel

Inhalt

Die Ehe des Steuerpflichtigen wurde mit Urteil geschieden, der Versorgungsausgleich von Amts wegen festgelegt und mit gerichtlich protokolliertem Vergleich vom gleichen Tag wurde der Zugewinnausgleich und der nacheheliche Unterhalt geregelt. Die Kosten des Scheidungsverfahrens einschließlich der Kosten des Vergleichs wurden gegeneinander aufgehoben. Die angefallen Anwalts- und Gerichtskosten i. H. v. ca. 8000 Euro hat der Steuerpflichtige als außergewöhnliche Belastung in seiner Einkommensteuererklärung angegeben. Das Finanzamt hat lediglich die Kosten für die Ehescheidung einschließlich Versorgungsausgleich (Zwangsverbund) angesetzt, die weitergehenden Kosten bezüglich der Vermögensauseinandersetzung/ Unterhalt als nicht abzugsfähig abgelehnt. Nachdem der Einspruch des Steuerpflichtigen erfolglos geblieben ist, wurde Klage erhoben. Dies mit dem Argument, das Finanzamt habe die Prozesskosten entgegen dem Urteil des BFH vom 12.5.2011 (NJW 2011, S. 3055 bzw. ISUV-Report Dezember 2011, Nr. 130, S. 18/19) nicht anerkannt. Sämtliche im Zusammenhang mit der Ehescheidung erwachsenen Kosten seien zwangsläufig entstanden. Das Finanzamt wendet ein, die Prozesskosten seien grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen und beruft sich auf den Nichtanwendungserlass des Bundesministerium der Finanzen (BMF – vom 20.12.2011 – IV C 4 – S 2284, BStBl I 2011, 1286 – siehe auch ISUV-Report Dezember 2012, Nr. 134, S. 19).

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Das Finanzgericht Düsseldorf gibt der Klage statt und bestätigt die Berücksichtigungsfähigkeit sämtlicher Kosten im Zusammenhang mit dem gerichtlichen Scheidungsverfahren als außergewöhnliche Belastungen. Es beruft sich darauf, dass der BFH mit Urteil vom 12.5.2011 unter Änderung der bisherigen Rechtsprechung entschieden hat, dass Zivilprozesskosten stets als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind, wenn die Rechtsverfolgung oder –verteidigung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Auch wenn die Eheleute die Möglichkeit haben, eine vermögensrechtliche Einigung ohne Inanspruchnahme der Gerichte herbeizuführen, ändert dies nichts an der Zwangsläufigkeit der entstehenden Kosten (anders noch BFH – Urteile vom 30.5.2005, III R 36/03, BStBl II 2006, S. 491, sowie III R 27/04, BStBl II 2006, S. 492). Das Finanzamt argumentiert, dass das Recht der Ehe und das der Scheidung einschließlich der Folgesachen dem staatlich dafür vorgesehenen Scheidungsverfahren unterliegen. Da Gerichte in jeder Lage des Verfahrens auf eine vergleichsweise Regelung des Rechtstreits hinwirken sollen (§ 278 ZPO), kann es keinen Unterschied machen, ob eine Folgesache durch Urteil oder gerichtlich protokollierten Vergleich geklärt wird. Aus den genannten Gründen sind sämtliche Verfahrensaufwendungen als außergewöhnliche Belastungen berücksichtungsfähig. (Im Ergebnis ebenso Finanzgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 21.2.2012, Az. 1 K 75/11, bisher nicht veröffentlicht.) Das Finanzgericht Düsseldorf hat zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung das Rechtsmittel zum BFH zugelassen, da die Frage der Abzugsfähigkeit insgesamt höchstrichterlich klärungsbedürftig erscheint, zumal weitere Verfahren diesbezüglich beim BFH anhängig sind (Az. X R 34/12, IX R 41/12, VI R 66/12, VI R 69/12, VI R 70/12).

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>~ PRAXISTIPP:

Wie bereits im ISUV-Report Nr. 134, S. 19 angeraten, sollte man auch weiterhin in eigenen Steuererklärungen sämtliche Gerichts- und Anwaltskosten aus einem gerichtlichen Scheidungsverfahren ansetzen und auch gegen ablehnende Bescheide der Finanzverwaltung zunächst mit Einspruch bzw. Klage reagieren. Die jetzige Entscheidung des Finanzgerichtes Düsseldorf macht Mut, insbesondere dem Nichtanwendungserlass des BMF vom 20.12.2011 zu begegnen (siehe Tipp im Report Nr. 134, S. 19 linke Spalte unten).

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Problematisch ist und bleibt in jedem Fall die Frage, inwieweit Rechtsanwaltskosten abzugsfähig sind, die im Rahmen einer vollständigen außergerichtlichen Einigung, z. B. durch notarielle Scheidungsfolgenvereinbarung anfallen. Das Finanzgericht Düsseldorf hatte nur zu entscheiden über die Frage, inwieweit die durch die gerichtliche Vergleichsprotokollierung angefallenen Kosten steuerlich abzugsfähig sind. In einem Nebensatz führt das Gericht aus, dass anders als bei einem nicht aus dem Scheidungsverfahren resultierenden Vergleich zur Regelung vermögensrechtlicher oder güterrechtlicher Ansprüche, der der privaten Lebensführung nach § 12 Nr. 2 EStG zuzurechnen sei, bei gerichtlichem Scheidungsverfahren, auch für die Folgesachen, ein Veranlassungszusammenhang besteht. Es wäre jedem Ehegatten möglich, die Fragen des Zugewinns/Unterhalts durch Antragstellung zum Verfahrensgegenstand der Scheidung zu machen, dann sind sie auch steuerlich zu berücksichtigen.

Der Verfasser hält diese Unterscheidung für bedenklich, denn eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren werden gerade durch vor- oder außergerichtliche Streitbeilegung nicht notwendig. Auch das Ziel des Gesetzgebers ist es, möglichst ohne Gericht einen Streit beizulegen (Stichwort: Mediation – neues Mediationsgesetz). Hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten, aber auch der Notarkosten, werden jedoch diejenigen offensichtlich benachteiligt, weil die Kosten steuerlich nicht abzugsfähig sein sollen, die die außergerichtliche Streitbeilegung wählen (die auch grundsätzlich finanziell günstiger ist). Soll allein für die steuerliche Abzugsfähigkeit eine Folgesache bei Gericht anhängig gemacht werden? Sollen Gerichte mit Folgesachen überfrachtet werden, obwohl sich die Parteien grundsätzlich einig sind, nur um eine steuerliche Abzugsfähigkeit der Kosten herbeizuführen? Wäre hier nicht eine Gleichbehandlung der steuerlichen Abzugsfähigkeit geboten? Jetzt muss zunächst der BFH in der Revisionsinstanz die erste Frage klären, inwieweit in einem gerichtlichen Verfahren, auch mit gerichtlichem Vergleich, die anfallenden Kosten zwangsläufig und somit steuerlich abzugsfähig sind. Vielleicht wird der BFH sich ja auch innerhalb dieser Verfahren zur Thematik der außergerichtlichen Streitbeilegung und der damit zusammenhängenden steuerlichen Abzugsfähigkeit der Kosten äußern.