Nichtehelichenrecht – OLG Frankfurt/M. – 02.05.2019

  1. Der Unterhaltsbedarf der nichtehelichen Mutter bemisst sich nach ihren Einkünften vor der Geburt ihres Kindes (anderenfalls Mindestunterhalt derzeit 880 €).

  2. Der Unterhaltsanspruch der nichtehelichen Mutter wird durch die Leistungsfähigkeit des nichtehelichen, nicht betreuenden Vaters begrenzt. Diese ist der angemessene Selbstbehalt sowie der Halbteilungsgrundsatz.

  3. Die Vorschrift für Eheleute hinsichtlich einer etwaigen Verwirkung finden beim Unterhalt der nichtehelichen Mutter keine Anwendung, insbesondere ist § 1579 BGB nicht anwendbar, weil § 1611 BGB für den Verwandtenunterhalt hier anzuwenden ist. Das Zusammenleben mit einem (neuen) Partner kann daher weder in analoger Anwendung des § 1579 Nr. 2 BGB noch in wertender Betrachtung über § 1611 BGB zur Verwirkung führen, wenn nicht andere Verfehlungen i. S. d. § 1611 BGB auf eine grobe Unbilligkeit schließen lassen.

Beschluss:
Gericht: OLG Frankfurt/M.
Datum: 02.05.2019
Aktenzeichen: 2 UF 273/17
Leitparagraph: § 1616, 1579 BGB
Quelle: FamRZ 2019, Seite 1611

Kommentierung:

Im vorliegenden Fall hatten sich die Eltern noch vor der Geburt des gemeinsamen Kindes getrennt, sie waren nicht verheiratet. Die Mutter begann wieder zu arbeiten als das Kind ein Jahr und ein Monat alt war, ein Jahr später arbeitete sie bereits wieder in Vollzeit. Inzwischen lebte sie mit einem neuen Partner zusammen, was der Vater zum Anlass nahm, den Betreuungsunterhalt auf zuletzt 200 € zu reduzieren. Die Mutter begehrte weiterhin Unterhaltszahlungen für die ersten drei Lebensjahre des Kindes. Der Vater/Mann war der Auffassung, er schulde keinen Unterhalt mehr für die Mutter des Kindes, weil diese wieder in einer Partnerschaft lebe, hier gelte das gleich, wie bei geschiedenen Ehefrauen.

Das OLG hat ausgeführt, dass zwar nichteheliche und eheliche Mütter bei dem Betreuungsunterhalt gleichbehandelt werden sollten, nachdem jedoch der Unterhaltsanspruch der Mutter eines nichtehelichen Kindes strukturell schwächer im Gesetz verankert ist (z. B. kein Anspruch auf Altersvorsorgeunterhalt, keine Teilhabe am Realsplitting), ist es auch gerechtfertigt, bei der Verwirkung Unterschiede zu machen. Es mag zwar sein, dass bei einer ehelichen Mutter ein Unterhaltsanspruch verwirkt sein kann bei neuer fester Partnerschaft (§ 1579 Nr. 2 BGB), es jedoch hierbei um die Abkehr von der fortwirkenden ehelichen Solidarität handelt, die es im Nichtehelichenrecht nicht gibt. Zudem greifen nur die Regelungen des § 1611 BGB für eine Verwirkung.

Die ersten Leitsätze der Entscheidung sind letztendlich nicht Neues (Bestimmung des Bedarfs: BGH, FamRZ 2013, Seite 1369, wobei auch künftige Einkommensentwicklungen der Mutter erfasst sind). Zudem hat das OLG mit der herrschenden Rechtsprechung die Ausübung einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit vor Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes analog § 1577 Abs. 2 BGB als überobligatorisch angesehen (BGH, FamRZ 2005, Seite 442 – Anrechnung der Einkünfte nur bis zum notwendigen Selbstbehalt in Höhe von monatlich derzeit 1000 €). Auch bei der Einordnung der Verwirkung folgt das OLG der herrschenden Rechtsprechung, wonach die Aufnahme einer neuen Partnerschaft nicht zu einer Verwirkung führt (OLG Nürnberg, FamRZ 2011, Seite 735 u. a.). Das OLG begründet die Anwendung des § 1611 BGB (und nicht die Anwendung des § 1579 Abs. 2 BGB analog) mit dem Argument, dass bei der Reform zum Unterhaltsanspruch der Mutter eines nichtehelichen Kindes im Jahr 2007 gerade keine vollständige Gleichstellung der Unterhaltsansprüche erfolgt ist. Es verbietet sich daher auch eine Analogie zu Ehelichenrecht.