Scheidungsrecht - OLG Schleswig - 8.4.2014 | KG Berlin - 14.1.2014
1. Gemäß § 43 FamGKG ist in Ehesachen/Scheidung der Verfahrenswert unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Ehegatten, nach Ermessen zu bestimmen
2. Bei den Vermögensverhältnissen sind die Vermögenswerte mit einem Bruchteil (hier 10 %) unter Berücksichtigung eines Vermögensfreibetrages (hier 30.000 € für jeden Ehegatten) wertbestimmend hinzuzurechnen.
Beschluss:
Gericht: OLG Schleswig
Datum: 08.04.2014
Aktenzeichen: 10 WF 3/14
Leitparagraph: FamGFG §43
Quelle: NZFam 2014, Seite 801
Bei der Festsetzung des Verfahrenswertes in Ehesachen/Scheidung ist das Vermögen mit einem Bruchteil zu berücksichtigen (hier 5 %) und zuvor um die einschlägigen Freibeträge nach dem Vermögenssteuergesetz (hier 60.000 € für jeden Ehegatten zzgl. 25.000 € Altersfreibetrag für jeden Ehegatten, da bereits Rentner) zu bereinigen.
Beschluss:
Gericht: KG Berlin
Datum: 14.01.2014
Aktenzeichen: 17 WF 265/13
Leitparagraph: FamGFG §43
Quelle: FuR 2014, Seite 598
Kommentierung/Anmerkung zu beiden Entscheidungen:
Bereits in Report Nr. 141 wurden in den Urteilen in Leitsätzen zwei Entscheidungen des OLG Brandenburg/OLG Karlsruhe dargestellt, inwieweit die Oberlandesgerichte den sogenannten Verfahrenswert für ein Scheidungsverfahren bestimmen. Grundsätzlich wird abgestellt auf die Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt der Einreichung des Scheidungsantrages. Dies ist wohl auch herrschende Rechtsauffassung. Beim Einkommen ist auf das Dreimonatsnettoeinkommen aus allen Einkommensarten abzustellen, also neben Einkünften aus nichtselbständiger oder selbständiger Tätigkeit auch auf Miet- und Kapitaleinkünfte. Von dem so ermittelten 3-Monatseinkommen sind dann pro unterhaltsberechtigtem Kind 250 € (d.h. 3 x 250 €) abzuziehen. Für den sogenannten Versorgungsausgleich wird pro Versorgungsanrecht 10 % des so ermittelten Verfahrenswertes (teilweise ohne Berücksichtigung des Abzugs für Kinder) berücksichtigt (§ 50 Abs. 1 FamGKG).
Beispiel:
Einkommen Ehegatte 1: 3000 €, Ehegatte 2: 2000 €, ein unterhaltsberechtigtes Kind, jeder Ehegatte hat lediglich gesetzliche Rentenanwartschaften
Der Verfahrenswert beträgt 3000 € + 2000 € = 5000 € ./. 250 € (Kind) = 4750 € x 3 gemäß § 43 FamGKG = Gegenstandswert für Scheidung 14.250 €
Der Verfahrenswert für Versorgungsausgleich wird errechnet aus 14.250 € (oder aus 3 x 5000 € = 15.000 €), hiervon 10 % pro Rentenanrecht, somit 2 x 1425 € = 2850 €.
Gesamtgegenstandswert für das Scheidungsverfahren: 17.100 €.
Der Gegenstandswert ist von Bedeutung für die Gerichtskosten und Anwaltskosten.
Immer wieder unterschiedlich wird jedoch hierbei das Vermögen der Parteien berücksichtigt. Neben den Einkommensverhältnissen (3-fach) ist in jedem Fall auch Vermögen der Beteiligten zu berücksichtigen. So werden unterschiedlichste Freibeträge von den Oberlandesgerichten angenommen, ebenso unterschiedliche Bruchteilsbeträge des zugrunde zu legenden Vermögens. So hat das OLG Schleswig in der obigen Entscheidung für das Vermögen zunächst alle Vermögenswerte herangezogen, wie Inventar/Kfz, letztendlich alle Vermögenswerte, die auch im Rahmen eines etwaigen Zugewinns zu berücksichtigen sind. Das OLG Schleswig zieht vom so ermittelten Vermögen pro Ehegatte 30.000 € ab (sowie pro Kind die Hälfte hiervon bei Vorhandensein von Kindern). Das Kammergericht Berlin hingegen nimmt zur Grundlage das Vermögensteuergesetz und zieht pro beteiligten Ehegatten 60.000 € ab und darüber hinaus, weil die Beteiligten bereits Rentner war, pro Ehegatte weitere 25.000 €. Der vom OLG Schleswig herangezogene Freibetrag von 30.000 € wird auch angewandt von den Oberlandesgerichten Celle, Brandenburg und Dresden. Die Oberlandesgerichte Frankfurt und Karlsruhe gehen sogar nur von einem Freibetrag i.H.v. 15.000 € aus. Neben dem Kammergericht Berlin gehen auch die süddeutschen Oberlandesgerichte München, Nürnberg, Stuttgart sowie die Oberlandesgericht Hamm und Koblenz von einem Freibetrag von 60.000 € aus. Den Altersfreibetrag scheint nur das Kammergericht Berlin anzuwenden. Neben der höchst unterschiedlichen Handhabe hinsichtlich des Freibetrages sind sich die Oberlandesgerichte auch nicht einig, mit welchem Bruchteil dann das ermittelte Vermögen für den Verfahrenswert heranzuziehen ist. Das Oberlandesgericht Schleswig mit 10 %, das Kammergericht Berlin mit 5 %, so wohl auch die anderen Oberlandesgerichte, insbesondere die süddeutschen Oberlandesgerichte.
Beispiel:
Im obigen Fallbeispiel ist noch Vermögen i.H.v. 400.000 € vorhanden. Zu entscheiden hat das Kammergericht Berlin. Von den 400.000 € werden für die Ehegatten 2 x 60.000 € abgezogen, sowie für das eine Kind 50 % aus 60.000 € somit 30.000 €, ergibt 250.000 €, hieraus 5 % ergibt einen zusätzlichen Verfahrenswert für die Scheidung i.H. v. 12.500 €.
Zusammen mit dem normalen Verfahrenswert aus Einkommen i.H.v. 14.250 € macht dies in der Summe einen Gesamtgegenstandswert für die Scheidung 26.750 €.
Wie man sieht, ist es schon von erheblicher Bedeutung, in welcher Höhe Vermögen der Eheleute in den Gegenstandswerte für das Scheidungsverfahren einfließt, da doch erhebliche Kostenunterschiede dadurch entstehen. Insoweit sollte jeder beratende Rechtsanwalt im Vorfeld einer Scheidung seinen Mandaten darüber aufklären, welche Freibeträge und welcher Prozentsatz vom zuständigen Oberlandesgericht angewandt wird, um die voraussichtlichen Scheidungskosten benennen zu können. Zu beachten ist noch, dass im ergänzenden Beispielsfall der Gegenstandswert für den Versorgungsausgleich sich nicht aus dem erhöhten Gegenstandswert aus dem Vermögen errechnet, sondern ausschließlich aus dem „Grundgegenstandswert“, im Beispielsfall 10 % aus 14.250 € pro Rentenanrecht.
Zur Thematik von Gegenstandswert/Verfahrenswert und Ehescheidungskosten wird ergänzend verwiesen auf das ISUV-Merkblatt Nr. 5 „Das aktuelle Scheidungsrecht und Ehescheidungskosten“.