Sorgerechtsreform – Bundesrat hat Stellung genommen
Nürnberg (ISUV) Der Interessenverband Unterhalt und Familienrecht (ISUV) kritisiert die Stellungnahme des Bundesrats zur Reform des Sorgerechts für Kinder nicht miteinander verheirateter Eltern, weil sie zu einer weiteren Verschlechterung der Situation der Kinder und ihrer Väter im Vergleich zu dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung führt. Das sogenannte Antragsmodell diskriminiert nichteheliche Kinder und ihre Väter. ISUV fordert ein klare gesetzliche Regelung: Gemeinsame elterliche Sorge für beide Eltern eines nichtehelichen Kindes ab Geburt und ab Feststellung der Vaterschaft, also die Gleichstellung von ehelichen und nichtehelichen Kindern und von deren Vätern. ISUV kritisiert den Geschlechterkrampf hinter den Kulissen. Es geht um das Kindeswohl und um gemeinsame Elternschaft auch nach Trennung und Scheidung.
Der Bundesrat fordert, dass der Amtsermittlungsgrundsatz nicht eingeschränkt wird. In der Praxis bedeutet dies, dass der Familienrichter in sprichwörtlich jeden Fall prüft, ob die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl entspricht. Der Bundesrat ist der Auffassung: "Durch die Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes in Kindschaftssachen wird sichergestellt, dass die Belange des Kindeswohls vor der Entscheidung des Gerichts möglichst umfassend und sorgfältig festgestellt und abgewogen werden. Eine gesetzliche Vermutung, die lediglich am Schweigen der Eltern und am Fehlen offensichtlicher Versagungsgründe anknüpft, wird der Aufgabe der Gerichte, dem Kindeswohl in Kindschaftssachen bestmöglich Geltung zu verschaffen, nicht gerecht." Die Praxis zeigt, die Mühlen der Familiengerichte mahlen langsam. Wer blockieren will, bekommt so eine Chance. Hinzu kommt, dass der Bundesrat die Frist der Mutter zur Stellungnahme verlängert hat. Gerade in der frühkindlichen Phase, in den ersten Monaten ist eine intensive Kontaktaufnahme wichtig.
ISUV regt an, dass schon vor der Geburt das Familiengericht die elterliche Sorge übertragen kann, wenn die Vaterschaft außer Frage steht. "Das ist erheblich sinnvoller, weil die Eltern da auch genügend Zeit haben um sich auf die Geburt und auf die Situation nach der Geburt einzustellen", ergänzt der ISUV-Vorsitzende Josef Linsler.
Des Weiteren lehnt der Bundesrat mehrheitlich das im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehene vereinfachte Verfahren ab. Grundtendenz der Ablehnung ist: Das vereinfachte Verfahren benachteiligt die Mütter. Die Gründe der Ablehnung können allerdings nicht überzeugen. Ein Argument gegen das vereinfachte Verfahren lautet: "Nicht selten wird es zum Beispiel der Fall sein, dass die Mutter den Antrag [Antrag zur Stellungnahme] aus sprachlichen oder sonstigen Gründen nicht versteht oder zu einer dezidierten schriftlichen Äußerung nicht in der Lage ist." Des Weiteren wird kritisiert, dass die Gerichte nicht mehr die Möglichkeit haben "vermittelnd auf eine Lösung hinzuwirken". In der Praxis zeigt sich jedoch oft, dass Gerichte dazu nicht in der Lage sind, vielmehr werden dann Verfahrenspfleger, Sachverständige, Gutachter eingeschaltet. Das kostet Zeit und Geld und spielt dem in die Hände, der die gemeinsame elterliche Sorge blockieren will.
Des Weiteren macht sich der Bundesrat für eine Einbeziehung des Jugendamtes stark, womit sich eine Entscheidung wieder sehr trefflich verzögern lässt. Immerhin stellt man aber auch kritisch fest, "dass dem Personal des Jugendamtes - so ein Gutachten [im Auftrag des BMJ] eine neutrale Beratung und Belehrung über die mögliche Ausgestaltung des Sorgerechts zum Teil schwerfällt, da es in seiner täglichen Praxis vorwiegend Mütter unterstützt und berät und Fälle des gemeinsamen Sorgerechts eher als konfliktträchtig erlebt."
Das vereinfachte Verfahren wird pauschal abgelehnt: "Das vereinfachte Verfahren nach §~ 155a Absatz 3 FamFG-E ist ein Fremdkörper im Gesamtgefüge der kindschaftsrechtlichen Verfahren." Das ist kein Argument, sondern ein Vorurteil. Der Blick ins Ausland zeigt, dass das vereinfachte Verfahren dort durchaus funktioniert und zu guten Ergebnissen im Sinne des Kindeswohls führt.
Angedacht ist auch eine Teilübertragung der elterlichen Sorge, gleichsam als Einstieg in die umfassende elterliche Sorge, aber auch als Bewährungsprobe für den Vater. Begründet wird die Forderung so: "Die Teilübertragung der elterlichen Sorge kann Bedenken der Kindesmutter gegen eine gemeinsame Sorge häufig zerstreuen. Nach Einschätzung der gerichtlichen Praxis ist zu erwarten, dass vermehrt Sorgeerklärungen abgegeben werden, wenn den Eltern die Möglichkeit eingeräumt wird, etwa den (in vielen Fällen unstreitigen) Bereich des Aufenthaltsbestimmungsrechts bei der Kindesmutter zu belassen." Gerade um das Aufenthaltsbestimmungsrecht wird in streitigen Fällen "gekämpft", weil die Väter befürchten, dass die Mutter mit den Kindern wegzieht und somit gemeinsame Sorge sowie der Umgang nur Makulatur bleiben.
Schließlich will der Bundesrat eine "ergebnisoffene Beratung" der Eltern. "Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, das Inkrafttreten des Gesetzes durch Maßnahmen zu flankieren, die sicherstellen, dass alle betroffenen Mütter und Väter möglichst frühzeitig über die Handlungsoptionen, die ihnen im Hinblick auf das Sorgerecht ihres Kindes zustehen, neutral, umfassend und zugleich verständlich informiert werden." Kann man "neutral" sein, wenn es darum geht, dem Kind beide Eltern zu erhalten?-
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