Umgangsrecht/Sorgerecht/Wechselmodell - OLG - 16.12.2021

  1. Werden im Beschwerdeverfahren zum Umgang die Voraussetzungen für eine Fortsetzung des bisher einvernehmlich gelebten paritätischen Wechselmodells verneint, ist im Rahmen von§ 1684 III BGB unter Anwendung der zum Sorgerecht entwickelten Kindeswohlkriterien inzident (auch) zu klären, ob das Umgangsrecht der Mutter oder das des Vaters zu regeln ist.
  2. Der Verweis auf die grundsätzliche Beachtlichkeit des Kindeswillens darf nicht dahingehend verstanden werden, dass dem Kind die Entscheidungskompetenz und -verantwortung übertragen wird, zumal ein bestehender Loyalitätskonflikt die Bedeutung des Kindeswillens im Einzelfall mindern kann.

Beschluss:
Gericht: OLG Frankfurt a. M.
Datum: 16.12.2021
Aktenzeichen: 1 UF 113/21
Leitparagraph: § 1684 BGB
Quelle: NZFam 2023, Seite 31

Kommentierung:

Die Eltern hatten sich ohne Gericht auf ein Wechselmodell geeinigt. Aufgrund nicht näher zu nennender Gründe wollte die Mutter gerichtlich eine Umgangsregelung im 14-tägigen Rhythmus (Vater) durchsetzen, insbesondere, weil der Vater die Mutter auf Kommunikationsplattformen abgeschnitten hatte (fehlenden Kommunikation). Der Vater wollte die Beibehaltung des Wechselmodells, was auch der Verfahrensbeistand empfohlen hat (Kontinuität). Das OLG hat entschieden, dass aufgrund des Sachverhaltes eine Kooperationsfähigkeit der Eltern nicht vorliegt, die Kommunikation der Eltern eingeschränkt sei und der Vater aktiv die Kinder miteinbezogen hat, was zu entsprechenden Loyalitätskonflikten führt. Das OLG hat einen Umgang 14-tägig freitags bis montags sowie in der Folgewoche einen Nachmittag für den Vater geregelt (einschließlich Ferienumgang).

Nach Auffassung des OLG kann der Kontinuität eines Wechselmodells dann kein Vorrang gegeben werden, wenn im Übrigen keine Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit vorliegt. Das OLG musste darüber entscheiden, wessen Umgang – des Vaters oder der Mutter – zu regeln ist. Das OLG hat danach geprüft, wo zukünftig der Lebensmittelpunkt sein soll – ähnlich wie bei Sorgerechtsverfahren. Daran sieht man auch, dass die strikte Trennung zwischen Umgangsverfahren und Sorgeverfahren schwer möglich ist. Für die Praxis bedeutet dies, dass im Falle einer Aufkündigung eines Wechselmodells im Rahmen eines Umgangsverfahrens es völlig offen ist, wer das Kind zukünftig mehr/weniger betreut und ein Gericht letztendlich inzident Sorgerechtsfragen/Aufenthaltsrechtsfragen zu prüfen hat.