Umgangsrecht/Sorgerecht/Wechselmodell - OVG - 04.07.2022

  1. Zum Begriff des „alleinerziehenden Elternteils" S. des § 1 I Nr. 2 UVG, wenn die Eltern auf der Grundlage eines vereinbarten Wechselmodells ihr gemeinsames Kind betreuen, die Betreuungsanteile jedoch von einem paritätischen Wechselmodell abweichen.
  2. Umfasst der Betreuungsanteil eines Elternteils aufgrund der zwischen ihnen getroffenen Vereinbarung zum jeweiligen Anteil des Aufenthalts des Kindes mehr als ein Drittel der Gesamtzeit, erfüllt der den Unterhaltsvorschuss beantragende Elternteil nicht die Voraussetzungen des § 1 I Nr. 2 UVG.

Beschluss:
Gericht: OVG Münster
Datum: 04.07.2022
Aktenzeichen: 12 A 3583/20
Leitparagraph: § 1 UVG FamRZ 2022, Seite 1687
Quelle: NZFam 2022, Seite 907

Kommentierung:

In beiden Entscheidungen geht es um die Frage, ob Unterhaltsvorschuss gezahlt wird im Hinblick auf das notwendige Tatbestandsmerkmal „alleinerziehender Elternteil“.

Wenn jemand UVG-Leistungen will, muss er hieran mitwirken und insbesondere zumutbare Angaben zur Ermittlung der Vaterschaft machen, denn hier ist auch noch das Tatbestandsmerkmal „Unkenntnis der Vaterschaft“ zu klären.

Der häufigere Fall, und hier im Rahmen der Wechselmodellrechtsprechung von Bedeutung, ist die Frage, ob im Wechselmodell zumindest für einen Elternteil Unterhaltsvorschussleistungen erbracht werden können. Im paritätischen Wechselmodell liegt das Merkmal „alleinerziehend“ nicht vor, sodass keine Unterhaltsvorschussleistungen durch den Staat zu erbringen sind. Die Verwaltungsgerichte gehen weiterhin davon aus, dass wenn eine Betreuungsaufteilung 1/3 zu 2/3 erfolgt, kein Anspruch auf Unterhaltsvorschussleistung gegeben ist – auch und insbesondere für denjenigen nicht, der 2/3 der Betreuungsleistung erbringt.

Auch diese verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen machen deutlich, dass die vielleicht kindswohlgerechte Aufteilung der Betreuung eines Kindes häufig auch am Finanziellen scheitert. Wechselmodelle werden häufig deshalb von einem Elternteil abgelehnt, weil dadurch finanzielle Einbußen hinzunehmen sind, entweder im Rahmen der Barunterhaltszahlung durch den anderen Elternteil oder beim Bezug von Unterhaltsvorschussleistungen.

Das Wechselmodell ist in vielen Bereichen des Sozialrechts ohnehin nicht angekommen. Jedenfalls tut man sich schwer in der Einordnung. So hat das Bundessozialgericht im Hinblick auf den Mehrbedarf für Alleinerziehende nach dem SGB II entschieden, dass beim paritätischen Wechselmodell beide Elternteile für die Hälfte der Zeit alleinerziehend sind und daher jeder Elternteil bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen die Hälfte des Zuschlags erhält (BSG. NJW 2010, Seite 1309).

Das OVG Münster hat in der obigen Entscheidung die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen, die auch eingelegt wurde (Az. 5 C 9/229).