Versorgungsausgleich - BGH - 16.05.2018

 

Im Abänderungsverfahren nach § 51 VersAusglG ist die Vorschrift über den Tod eines Ehegatten (§31 VersAuslgG) uneingeschränkt anzuwenden: die Anwendung des § 31 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG führt deshalb im Falle eines Vorversterbens des insgesamt Ausgleichsberechtigten dazu, dass der überlebende, insgesamt ausgleichspflichtige Ehegatte sein während der Ehezeit erworbenes Anrecht ab dem Zeitpunkt der Antragstellung ungeteilt zurück erhält.

Beschluss:
Gericht: BGH
Datum: 16.05.2018
Aktenzeichen: XII ZB 466/16
Leitparagraph: §§ 31, 51 VersAusglG
Quelle: FamRZ 2018, Heft 16

Kommentierung:

Das Abänderungsverfahren nach § 51 VersAusglG setzt voraus, dass es sich bei der Versorgungsausgleichsentscheidung bei der Scheidung um eine Entscheidung vor dem 01.09.2009 handelt und bestimmte Wertgrenzen überschritten sind. In engen Ausnahmefällen können sogar Entscheidungen ab dem 01.09.2009 einer Abänderung unterliegen. Der BGH hatte im vorliegenden Fall eine Altentscheidung zur Grundlage, bei der die übrigen Abänderungsvoraussetzungen vorlagen, was dann zu einer sogenannten Totalrevision der alten Entscheidung zum Versorgungsausgleich führte. Weiterhin war die ansich ausgleichsberechtigte Ex-Ehefrau bereits verstorben. Grundsätzlich gilt, wenn die ausgleichsberechtigte Person stirbt, dass dann, wenn die ausgleichsberechtigte Person mehr als 36 Monate (3 Jahre) die Anrechte aus dem Versorgungsausgleich erhalten hat, dann keine Anpassung der Kürzung des Versorgungsausgleichs beim Versorgungsausgleichsverpflichteten mehr möglich ist (§ 37 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VersAusglG).

Im zu entscheidenden Fall stellte sich dann die Frage, ob durch die Durchführung der Totalrevision zum einen gegen die Erben der verstorbenen ausgleichsberechtigten Ex-Ehefrau möglich ist und somit eine völlig neue Entscheidung zum Versorgungsausgleich vorliegt, mit der weiteren Folge, dass dann folgerichtig in Folge dieser neuen Entscheidung keine 36 Monate Versorgungsausgleichbezug vorlag und somit auf der Grundlage der Totalrevision keine Kürzung des Versorgungsausgleichs erfolgt. Der BGH hat dies ausdrücklich bejaht (so auch schon BGH, FamRZ 2013, Seite 1287, Az. XII ZB 635/12), mit der Folge, dass wenn bei eingetretener Wertänderung der Versorgungsanrechte ein Abänderungsverfahren „erfolgreich“ ist, dass dies dann folgerichtig dazu führt, dass der überlebende Ehegatte (ansich versorgungsausgleichsverpflichtet) sein während der Ehezeit erworbenes Anrecht ab dem Zeitpunkt der Antragstellung auf Abänderung ungeteilt zurück erhält (so auch schon OLG Stuttgart, FamRZ 2015, Seite 759, OLG Koblenz, FamRZ 2015, Seite 1808 u.a. – kritisch hierzu OLG Schleswig, FamRZ 2016, Seite 822 u.a.). Der BGH hat daher in dem hier vorliegenden Fall sich berufen gefühlt, seine vorherige Rechtsprechung aus dem Jahr 2013 nochmals zu überprüfen, kam jedoch wieder zu dem Ergebnis, dass bei berechtigter Abänderung/Totalrevision und Vorversterben des ausgleichsberechtigten Ehegatten die Kürzung des Versorgungsausgleichs beim versorgungsausgleichspflichtigen Ehegatten ab Antragstellung entfällt – völlig unabhängig von der 3-Jahres-Regel.

Insgesamt gilt folgendes:

Wird von einem ehemaligen Ehegatten eine Abänderung der alten Versorgungsausgleichsentscheidung vor dem 01.09.2009 gemäß § 51 VersAusglG begehrt, findet eine sogenannte Totalrevision statt, d. h. der Versorgungsausgleich wird völlig neu berechnet. Nach § 31 VersAusglG kann auch nach dem Tod des anderen Ehegatten gegenüber den Erben dieser „Anspruch auf Totalrevision“ geltend gemacht werden. Die hat zur Folge, dass wenn der Abänderungsantrag durchgreift und die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen, eine neue rechtskräftige Entscheidung über den Versorgungsausgleich vorliegt und somit selbst dann, wenn der verstorbene Ehegatte mehr als 36 Monate aus der Durchführung des Versorgungsausgleichs vor seinem Tod profitiert hat, die vormalige Kürzung der Rentenanrechte des überlebenden Ehegatten der zum Versorgungsausgleich verpflichtet gewesen ist, nicht mehr erfolgt. Der bereits verstorbene Ehegatte – obwohl mehr als 36 Monate aus dem VA profitiert – kann aufgrund seines Todes nicht mehr von der neuen Entscheidung zum Versorgungsausgleich „profitieren“. Er bezieht keine Rente aus dem Versorgungsausgleich, mit der Folge, dass dem überlebenden Ehegatten seine volle Rente bleibt (BGH, Beschluss vom 05.06.2013, Az. XII ZB 635/12, FamRZ 2013, Seite 1287 sowie BGH, Beschluss vom 16.05.2018, Az. XII ZB 466/16). Grundvoraussetzung für eine sogenannte Totalrevision nach § 51 VersAusglG ist, dass eine Wertänderung stattgefunden hat, insbesondere die Grenzwerte nach § 51 Abs. 2 VersAusglG i.V.m. § 225 Abs. 3 FamFG überschritten sind. Verstirbt der Versorgungsausgleichsberechtigte vor dem Versorgungsausgleichspflichtigen, führt dies nach der Rechtsprechung des BGH dazu, dass wenn eine VA-Entscheidung vor dem 01.09.2009 ergangen ist und die entsprechende Wertänderung eingetreten ist, der Versorgungsausgleichsberechtigte ab dem Zeitpunkt der Antragstellung sein während der Ehezeit erworbenes Anrecht ungeteilt zurückerhält – auch wenn der Versorgungsausgleichsberechtigte länger als 36 Monate aus dem Versorgungsausgleich Zahlungen erhalten hat. Man müsste daher anraten, erst dann einen Abänderungsantrag mit den oben genannten Folgen zu stellen, wenn der Ex-Ehegatte verstorben ist. Nur, wer weiß, wann dieser Zeitpunkt eintritt und ob man nicht selbst der Erstversterbende ist …

Nachdem die Praxis zeigt, dass wenige das Instrumentarium der Abänderungsmöglichkeit einer alten Versorgungsausgleichsentscheidung vor dem 01.09.2009 gemäß § 51 VersAusglG ergreifen, wird auch der hier entschiedene „Vorversterbensfall“ wohl in der Rechtspraxis nicht so häufig vorkommen. Obwohl es sich hierbei um eine überlegenswerte Möglichkeit des an sich Ausgleichspflichtigen handelt – bei Tod des Versorgungsausgleichsberechtigten – die volle Altersvorsorge wieder zu erhalten. An sich sollte jeder, der im Alter von der Durchführung des Versorgungsausgleichs negativ betroffen ist und der Ex-Ehepartner vor ihm verstirbt, darüber nachdenken, diese Möglichkeit des Zurückerhaltens der vollen Altersvorsorge zu ergreifen. Zumeist haben sich aufgrund des Zeitablaufs die Werte zur Berechnung des VA verändert und die oben genannte Wesentlichkeitsgrenze ist für eine Totalrevision des VA erreicht.