Versorgungsausgleich - BVerfG - 06.05.2014

 

§ 32 VersAusglG ist, sofern danach bei Versorgungsanrechten aus einer Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes eine Anpassung wegen Unterhaltsverpflichtung (§ 33 VersAusglG) oder wegen Tod der versorgungsausgleichsberechtigten Person (§ 37 VersAusglG) unterbleibt, mit dem Grundgesetz vereinbar.

Beschluss:
Gericht: BVerfG
Datum: 06.05.2014
Aktenzeichen: 1 BvL 9/12, 1 BvL 1145/13
Leitparagraph: VersAusglG §32
Quelle: www.bundesherichtshof.de

Kommentierung:

§ 33 VersAusglG bestimmt, dass die grundsätzliche Halbierung der Versorgungsanrechte unterbleibt bzw. angepasst werden kann, wenn ohne die Kürzung des Versorgungsausgleichs der andere Ehegatte einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch hätte, mit der Folge, dass in diesem Fall auf Antrag die Kürzung des Versorgungsausgleich ganz oder teilweise unterbleibt. Dies entspricht dem früheren sogenannten Unterhaltsprivileg. § 37 VersAusglG bestimmt, dass zwar dann, wenn der versorgungsausgleichberechtigte Ehegatte stirbt, die bis zu diesem Zeitpunkt durchgeführte Kürzung des Versorgungsausgleichs bei der versorgungsausgleichverpflichteten Person auf Antrag wieder wegfällt, dies jedoch nur gilt, wenn die versorgungsausgleichsberechtigte Pers vor ihrem Tod nicht länger als 36 Monate von dem Versorgungsaugleich profitiert hat. Umgekehrt heißt das, wenn aus dem Versorgungsausgleich mehr als 36 Monate die ausgleichsberechtigte Person Rente bezogen hat, dann verstirbt (z. B. nach 37 Monaten), dass dann beim ausgleichsverpflichteten Ehegatten die in der Scheidung durchgeführte Kürzung seiner Rentenanwartschaften dauerhaft verbleibt, obwohl der gekürzte Anteil nicht mehr an den anderen Ehegatten auszubezahlen ist, da dieser verstorben ist. Eine solche Regelung gab es jedoch auch schon vor der Neuregelung zum Versorgungsausgleich seit dem 1.9.2009.

Das Bundesverfassungsgericht hatte jetzt darüber zu entscheiden, ob die weitere Regelung in § 32 VersAusglG verfassungskonform ist, wonach solche – wenn auch eingeschränkte – Anpassungsmöglichkeiten nur für die in § 32 VersAusglG vorgesehenen Versorgungsanrechte (z. B. gesetzliche Rentenversicherung, Beamtenversorgung oder berufsständische Versorgungen) gelten soll und nicht für Zusatzversorgungen des öffentlichen Dienstes, welche in der Auflistung des § 32 VersAusglG nicht beinhaltet sind. Selbiges gilt für sogenannte weitere „ergänzende Altersversorgungen“ (z. B. jegliche privaten Altersversorgungen oder betriebliche Altersversorgungen). Der Gesetzgeber hat sich dazu entschieden, nur für die sogenannten „Regelsicherungssysteme“ eine Anpassungsmöglichkeit zu eröffnen. (Das sogenannte Rentnerprivileg ist ohnehin seit dem 1.9.2009 abgeschafft, wonach versorgungsausgleichsverpflichtete Ehegatten, die bereits Rentner/Pensionisten sind, ihre volle Altersvorsorge solange behalten haben, bis der andere Ehegatte selbst rentenbezugsberechtigt wurde. Diese Abschaffung des Rentnerprivilegs wird als verfassungskonform angesehen, war auch nicht Gegenstand der jetzigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.)

In dem einen Fall (1 BvL 9/12) hat das OLG Schleswig (FamRZ 2012, Seite 1388) bei der Frage, ob im Hinblick auf eine gesetzliche Unterhaltsverpflichtung auch die betrieblichen Altersversorgung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes) zu kürzen ist – obwohl kein Regelsicherungssystem.

Das OLG hat die Beschränkung des § 32 VersAusglG auf die sogenannten „Regelsicherungssysteme“ für unvereinbar mit dem Grundgesetz (Art. 14 Abs. 1 GG) erachtet und hat im Rahmen eines sogenannten konkreten Normenkontrollverfahrens diese Frage dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Im anderen Fall (1 BvR 1145/13) starb die Ehefrau, nachdem sie weniger als 36 Monate Leistungen aus dem Versorgungsausgleich und auch aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes des Ehemannes bezogen hatte. Somit lägen die Voraussetzungen für einen Aussetzung der Rentenkürzung gemäß § 37 VersAusglG vor, wenn dies auch für diese Zusatzversorgung gelten würde. § 32 VersAusgl G bestimmt jedoch, dass dies nur für die „Regelsicherungssysteme“ möglich ist. Die Klage des Ehemannes gegen die Zusatzversorgungskasse blieb vor dem Landgericht und vor dem Oberlandesgericht ohne Erfolg. Er hat Verfassungsbeschwerde eingelegt.

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Beschränkung der Aussetzungsmöglichkeiten für die Kürzung des Versorgungsausgleichs beim versorgungsausgleichsverpflichteten Ehegatten auf die sogenannten „Regelsicherungssysteme“ verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Die Einbeziehung die Zusatzversorgung in die Anpassungsvorschriften wäre zwar verfassungsrechtlich zulässig, ist jedoch nicht verfassungsrechtlich geboten, sodass der Gesetzgeber § 32 VersAusglG so normieren durfte und konnte wie geschehen. Der Gesetzgeber hat nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts seinen ihm zustehenden Gestaltungspielraum verfassungskonform ausgelegt und hierbei keine Grundrechte verletzt. Der Gesetzgeber durfte eine Unterscheidung treffen zwischen den Regelsicherungssystemen und den nicht beitragsfinanzierten privaten Versorgungssystemen, da die Mehrbelastungen durch eine Aussetzung einer bereits festgelegten Kürzung nur öffentlich-rechtlichen Grund-Versorgungsträgern auferlegt werden können, nicht aber den zusätzlichen, privaten Versorgungssystemen. Diese Unterscheidung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (so auch BGH, FamRZ 2013, Seite 189). Die sehr ausführliche Begründung des Bundesverfassungsgerichtes (mit einer Gegenstimme) ist sehr rechtsdogmatisch, würde den hiesigen Rahmen sprengen. Festzuhalten ist, dass durch die Entscheidung nunmehr Rechtsklarheit vorliegt. Damit werden die Betroffenen nunmehr zukünftig auch leben müssen. Die Entscheidung ist zusammengefasst in der Presseerklärung Nr. 52/2014 vom 12.6.2014 (www.bundesverfassungsgericht.de), wen die gesamte Entscheidung im gesamten Wortlaut interessiert, findet diese auf der Internetseite des Bundesverfassungsgerichtes unter „Entscheidungen).

Die Neuregelungen des VersAusglG seit dem 1.9.2009 werfen eine Vielzahl von neuen juristischen Problemen auf, sodass das angestrebte Ziel der Reform – Vereinfachung – nach Auffassung des Verfassers nicht erreicht ist. Auch renommierte Versorgungsausgleichsrechtler gehen von einem Reformbedarf des reformierten Versorgungsausgleichs aus (Bergner, FuR 2014, Seite 450 ff., der sich für eine vollständige Aufhebung von § 32 VersAusglG ausspricht und ebenso für eine Erweiterung der Aussetzungsmöglichkeiten für die Kürzung des Versorgungsausgleichs plädiert~ ähnlich Bergmann, FuR 2014, Seite 149 ff.).