Wichtiges BGH-Urteil vom 8.8.2012 – Az. XII ZR 97/10 - betreff Ehegattenunterhalt - kommentiert von Rechtsanwalt Simon Heinzel
Ehegattenunterhalt, Betreuungsunterhalt
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BGH, Urteil vom 8.8.2012 – Az. XII ZR 97/10 – §§ 1570 Abs. 2, 1573 BGB
FamRZ 2012, S. 1624~
Die Belastung des kinderbetreuenden Elternteils durch berufliche Ausbildungs-, Fortbildungs- oder Qualifizierungsmaßnahmen (hier: Habilitation/Professur) stellt keinen elternbezogenen Grund i. S. des § 1570 Abs. 2 BGB dar.
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In einem Abänderungsverfahren begehrt der Unterhaltspflichtige den Wegfall des Ehegattenunterhalts mit dem Argument, dass das von der Unterhaltsberechtigten (promovierte Kunsthistorikerin) betreute Kind (10 Jahre alt) eine Ganztagsschule mit zusätzlichen Betreuungsangeboten besucht und daher der Unterhaltsberechtigten eine vollschichtige Erwerbstätigkeit zugemutet werden kann (bislang halbschichtige Tätigkeit als Universitätsangestellte). Insbesondere verweist der Unterhaltspflichtige darauf, dass weder kindbezogene noch elternbezogene Gründe für eine Verlängerung des Betreuungsunterhaltes vorliegen. Der BGH weist klar darauf hin, dass angesichts der ganztätigen Fremdbetreuung kindbezogene Gründe für einen Betreuungsunterhaltsanspruch nach § 1570 Abs. 2 BGB nicht in Betracht kommen. Auf der anderen Seite könnten jedoch elternbezogene Gründe zu einer Verlängerung des Betreuungsunterhaltsanspruches führen. Der BGH bekräftigt, dass die dem betreuenden Elternteil zugemutete Berufstätigkeit neben dem nach der Fremdbetreuung verbleibenden Anteil an Erziehungs- und Betreuungsaufgaben zu keiner überobligatorischen Belastung führen darf, d. h. selbst bei ganztätiger Fremdbetreuung verbleiben noch Erziehungs-/Betreuungsaufgaben, die grundsätzlich nicht zu einer vollschichtigen Erwerbsobliegenheit führen. Das bereits vor der Ehe begonnene Habilitationsverfahren stellt jedoch keine derartige Belastung dar, da ein elternbezogener Grund nicht vorliegt. Für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts sind nur solche elternbezogene Gründe von Relevanz, die allein im Interesse des Kindes erfolgen, nicht hingegen, wenn die Einschränkung der Erwerbstätigkeit aufgrund von Ausbildungs- Fortbildungs- und Qualifikationsmaßnahmen erfolgen, die ausschließlich den eigenen beruflichen Interessen dienen.
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Durch § 1570 Abs. 2 BGB soll die in der Ehe gehandhabte Rollenverteilung gerade hinsichtlich der Kinderbetreuung geschützt werden, ein sogenannter Elternbezug muss vorliegen, der bei der Verfolgung beruflicher Ziele gerade nicht vorliegt. Es liegt zwar ein Ehebezug vor, jedoch kein Elternbezug/Kinderbezug, sodass ein Betreuungsunterhaltsanspruch zu versagen war. Der BGH hat jedoch auch darauf hingewiesen, dass natürlich daneben wegen der Ehebezogenheit beim sogenannten Aufstockungsunterhalt (§ 1573 BGB) die Fortbildungsmaßnahme zu berücksichtigen ist oder ggf. sogar ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt (§ 1575 BGB) besteht. Da der BGH dies mangels entsprechender Feststellungen des OLG nicht selbst entscheiden konnte, wurde der Rechtsstreit zurückverwiesen, eindeutig entschieden wurde, dass in diesen Fällen kein Betreuungsunterhaltsanspruch mehr besteht.