Wichtiges Urteil des Bundesgerichtshofs zu Umgangskosten und Wechselmodell

BGH, Beschluss vom 12. März 2014 - XII ZB 234/13

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Leitsätze

a) Nimmt der barunterhaltspflichtige Elternteil ein weit über das übliche Maß hinaus gehendes Umgangsrecht wahr, kann der Tatrichter die in diesem Zusammenhang getätigten außer-gewöhnlich hohen Aufwendungen, die als reiner Mehraufwand für die Ausübung des erweiterten Umgangsrechts dem Anspruch des Kindes auf Zahlung von Unterhalt nicht als be-darfsdeckend entgegengehalten werden können (vor allem Fahrt- und Unterbringungskos-ten), zum Anlass dafür nehmen, den Barunterhaltsbedarf des Kindes unter Herabstufung um eine oder mehrere Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle zu bestimmen.

b) Der auf diesem Weg nach den Tabellensätzen der Düsseldorfer Tabelle ermittelte Unter-haltsbedarf kann (weitergehend) gemindert sein, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil dem Kind im Zuge seines erweiterten Umgangsrechts Leistungen erbringt, mit denen er den Unterhaltsbedarf des Kindes auf andere Weise als durch Zahlung einer Geldrente teil-weise deckt (im Anschluss an Senatsurteile vom 21. Dezember 2005 XII ZR 126/03 FamRZ 2006, 1015 und vom 28. Februar 2007 XII ZR 161/04 FamRZ 2007, 707).

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Das vollständige Urteil hier

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Als Leseanreiz hier einige markante Auszüge:

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Die Eltern hatten notariell ein Wechselmodell vereinbart. Dazu stellt der BGH fest:

"Für die Beurteilung der Frage, ob ein Kind räumlich getrennt le- bender Eltern im Residenzmodell oder im Wechselmodell betreut wird, kommt im Rahmen des § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB dem zeitlichen Einsatz der Eltern bei der Betreuung des Kindes eine besondere Bedeutung zu."

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Grundsätzliches zum Kindesunterhalt beim Wechselmodell:

"Wird das Kind von einem Elternteil versorgt und betreut, während der andere Teil Barunterhalt leis-tet, so ist die Lebensstellung des Kindes grundsätzlich auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des barunterhaltspflichtigen Elternteils begrenzt.

Diese Beurteilung ist solange nicht in Frage zu stellen, wie das deutliche Schwergewicht der Betreuung bei einem Elternteil liegt. Denn dann ist die An-nahme gerechtfertigt, dass dieser Elternteil die Hauptverantwortung für das Kind trägt und dadurch den Betreuungsunterhalt leistet, während der andere Elternteil auf der Grundlage nur seiner eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse zum Barunterhalt verpflichtet ist. Deshalb ändert sich an der aus dem Schwer-gewicht der Betreuung durch einen Elternteil folgenden Aufteilung zwischen Bar- und Betreuungsunterhalt nichts, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil seinerseits Betreuungs- und Versorgungsleistungen erbringt, selbst wenn dies im Rahmen eines über das übliche Maß hinaus wahrgenommenen Umgangs-rechts erfolgt, dessen Ausgestaltung sich bereits einer Mitbetreuung annähert. Wenn und soweit der andere Elternteil gleichwohl die Hauptverantwortung für ein Kind trägt, muss es dabei bleiben, dass dieser Elternteil seine Unterhalts-pflicht im Sinne des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB durch die Pflege und Erziehung des Kindes erfüllt (Senatsurteile vom 21. Dezember 2005 XII ZR 126/03 FamRZ 2006, 1015, 1017 und vom 28. Februar 2007 XII ZR 161/04 FamRZ 2007, 707 Rn. 16)."

Weiter unten heißt es:

Nimmt der barunterhaltspflichtige Elternteil ein weit über das übliche Maß hinaus gehendes Umgangsrecht wahr, dessen Ausgestaltung sich bereits einer Mitbetreuung annähert, kann der Tatrichter bei der Ausübung sei-nes Ermessens im Rahmen der Angemessenheitskontrolle die wirtschaftliche Belastung des Unterhaltspflichtigen insbesondere mit zusätzlichen Fahrtkosten und den Kosten für das Vorhalten von Wohnraum in rechtsbeschwerderechtlich unbedenklicher Weise zum Anlass dafür nehmen, den Barunterhaltsbedarf un-ter Herabstufung um eine oder mehrere Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle zu bestimmen oder wie hier auf eine nach den maßgebenden unter-haltsrechtlichen Leitlinien ansonsten gebotene Hochstufung in eine höhere Ein-kommensgruppe zu verzichten."

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Bezüglich Umgangskosten stellt der BGH fest:

"Insbesondere die Kosten für das Bereithalten von Wohnraum zur Übernachtung von Kindern bleiben bei einem im üblichen Rahmen ausgeübten Umgangsrecht unterhaltsrechtlich in der Regel schon deshalb unbe-achtlich, weil es typischerweise angemessen und ausreichend ist, die Kinder in den Räumlichkeiten mit unterzubringen, die dem individuellen Wohnraumbedarf des Unterhaltspflichtigen entsprechen (Senatsurteil vom 23. Februar 2005 XII ZR 56/02 FamRZ 2005, 706, 708~ OLG Schleswig Beschluss vom 20. De-zember 2013 15 WF 414/13 juris Rn. 16~ Wendl/Klinkhammer Das Unter-haltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 2 Rn. 272~ Botur in Büte/Poppen/Menne Unterhaltsrecht 2. Aufl. § 1603 BGB Rn. 59~ zu umgangsbe-dingt erhöhten Wohnkosten aus grundsicherungsrechtlicher Sicht vgl. Behrend jM 2014, 22, 28 f.). Auch die mit der Ausübung des Umgangsrechts verbunde-nen Fahrtkosten hat von Ausnahmefällen abgesehen im Rahmen eines übli-chen Umgangs grundsätzlich der nicht betreuende Elternteil zu tragen."

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So manch ein Unterhaltspflichtiger hat nur eine Einzimmerwohnung - sollen zwei Kinder dort schlafen, soll ein pubertierendes Mädchen mit dem Vater und dem Bruder in eiem Zimmer schlafen?-