Wechselmodell

Kinder in den Mittelpunkt stellen, dann ist vieles möglich

Kinder in den Mittelpunkt stellen

Dieser lesenswerte autobiographische Bericht ist ist ein positives Beispiel dafür, wie ein Wechselmodell gut funktionieren kann. Man erkennt sehr gut, unter welchen Voraussetzungen ein Wechselmodell möglich ist, was man vermeiden und was man fördern sollte.

 

 

Wechselmodell: Erfahrungsbericht und positives Beispiel

Kann man ein Wechselmodell erfolgreich praktizieren, ohne von dieser kontrovers diskutierten Idee jemals gehört zu haben? Ist so etwas möglich, auch wenn man sich als Eltern darüber weder durch Literatur gründlich informiert oder durch intensive Gespräche mit anderen hat inspirieren lassen?

Meine Ex-Frau und ich leben ein derartiges Betreuungsmodell seit den ersten Tagen unserer Trennung und unseren beiden Kindern, die beide noch im Grundschulalter sind, geht es damit sehr gut. Sie haben weder Mama noch Papa verloren.

 

Ausgangslage: „Werdegang“ unseres Wechselmodells

Vor einigen Jahren habe ich mich nach langjähriger Ehe von meiner Frau getrennt. Mittlerweile sind wir auch geschieden. Unsere beiden Kinder werden von uns Eltern gemeinsam betreut, wie vor der Trennung auch. Zwei Wochentage sind sie bei Mama und zwei Wochentage verbringen sie direkt nach der Schule bei mir. Die Wochenenden von Freitag bis Sonntag und die Ferien werden ebenso hälftig geteilt. Unsere Wohnorte liegen in der Nähe.

Zum Zeitpunkt der Trennung dachten wir als Eltern, dass Kinder nach einer Trennung entweder überwiegend bei Mama oder bei Papa leben müssten und lediglich an Wochenenden den jeweils anderen Elternteil besuchen könnten. So hatten wir das beide stets bei anderen beobachtet und unreflektiert als Standardvorgehen akzeptiert.

Und genau davor hatten wir beide so unglaublich viel Angst: Den engen Kontakt zu unseren geliebten Kindern zu verlieren. Uns war damals nicht klar, dass es auch Alternativen dazu gibt. Somit befanden wir uns vor der Trennung in einer für uns scheinbar unlösbaren Situation. Jeder Elternteil wollte unbedingt die Kinder bei sich haben und nicht zum Besuchselternteil degradiert werden.

 

 

Hilfe von Außen: „Kinder brauchen einen festen Wohnort“

Wir entschlossen uns deshalb gemeinsam Hilfe von Außen zu holen. In meiner beruflichen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen bin ich es gewohnt, mich mit Menschen anderer Fachrichtungen auszutauschen und durch andere Perspektiven bereichern zu lassen. Darum vertraute ich voller Optimismus auf die langjährige Erfahrung und die von mir erhoffte fundierte Ausbildung und unabhängige Position einer Systemischen Beraterin einer kirchlichen Beratungsstelle.

Im Nachhinein betrachtet wurde meine Erwartung bitter enttäuscht. Im Eröffnungsgespräch erwähnte die Beraterin zwar die Möglichkeit eines Wechselmodells, lehnte das selbst aber im selben Atemzug kategorisch ab, da Kinder ihrer Meinung nach einen festen Wohnort und Anker benötigen würden. Gutgläubig schenkten wir Eltern diesem Ausspruch völlig unkritisch Glauben und waren uns sicher, dass ihre Einschätzung richtig sein musste, da sie schon viele Familien in Trennungssituationen begleitet hatte und wir Eltern in der Trennungsituation natürlich unerfahren waren.

Allerdings musste ich mir als Vater den Vorwurf gefallen lassen, dass ich die Verantwortung für die Kinder nur übernehmen wolle, „um meiner Ex-Frau gegenüber meine Macht zu demonstrieren“. Sprachlos ob dieser unverschämten Hypothese, fragte ich perplex nach den Gründen für ihre Einschätzung. Sie beantwortete dies damit, dass ihr Bauchgefühl das ihr sagen würde.

„Mit einem Abstand von Jahren und sachlich betrachtet frage ich mich heute, warum ich solch eine Dreistigkeit, fehlende Professionalität und Parteilichkeit habe über mich ergehen lassen?“


Zum einen waren die Gespräche mit meiner Ex-Frau auf der Beratungsstelle die einzige Möglichkeit mit ihr regelmäßig und ausführlich in Kommunikation zu treten, da sie ansonsten versuchte, Gespräche möglichst zu vermeiden. Selbst banale Terminabsprachen per Telefon waren schwierig in der Umsetzung, weil viele Anrufe und Nachrichten unbeantwortet blieben.

Somit wollte ich diese einzige Verbindung zwischen uns, auch wenn sie stellenweise mehr als fragwürdig war durch die oben beschriebene Beraterin, unbedingt erhalten. Zum anderen hatte ich schlichtweg Angst. Ich befürchtete, dass ein möglicher Abbruch der Gespräche durch mich mir nachteilig ausgelegt werden könnte, sollte es zu einem Sorgerechtsstreit vor Gericht kommen. Auf Drängen der Beraterin, als Eltern schnell zu einer Lösung zu kommen, um die Kinder nicht zu belasten, stimmte ich äußerst schnell zu, dass die Kinder am Wohnort der Mutter gemeldet werden sollten.

 

 

Unbewusst ein Wechselmodell praktiziert

Meine Sorge um das psychische Wohl für unsere Kinder war so unendlich groß, dass ich zuvor schon tagelang nicht schlafen konnte. Meinen Kindern wollte ich unter allen Umständen ein Gerichtsverfahren mit möglicherweise belastenden Gesprächen mit fremden Menschen und potentieller Einflussnahme von anderen erwachsenen Menschen ersparen.

Obwohl meine Rechtsanwältin meine Chancen für einen Ausgang eines Sorgerechtsstreits zu meinen Gunsten bei deutlich über 95% sah, entschied ich mich aus Liebe für unsere Kinder dagegen. Meiner Meinung nach hatten sie es nicht verdient, dass unbekannte Menschen über deren Schicksal entscheiden sollten. Meine Skepsis dem Justizapparat gegenüber war zu groß und ich hätte es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren können, wenn die Kinder unter Nebenwirkungen einer juristischen Auseinandersetzung hätten leiden müssen.

Meine einzigen Bedingungen meiner Ex- Frau gegenüber waren, dass die Kinder jederzeit auch bei mir sein dürften und wir uns die Fahrten zwischen den Wohnorten teilen würden. Zumindest die erste Bedingung wurde von Beginn an bis heute eingehalten und somit ein Wechselmodell installiert, ohne dass wir Eltern uns im Klaren darüber waren.

Monate später drängte die Beraterin auf eine Reduzierung meiner Betreuungszeiten, damit sich die Kinder am Wohnort der Mutter besser einleben könnten. Diesem Wunsch wurde vorübergehend entsprochen, danach aber wieder die Betreuungsaufteilung, wie eingangs beschrieben, hergestellt.

 

 

Begriff Wechselmodell löst bei einem Partner negative Assoziationen aus

Ungefähr ein Jahr nach dem Auszug meiner Ex-Frau stolperte ich rein zufällig und über Umwege bei YouTube über einen Vortrag von Prof. Dr. jur. Hildegund Sünderhauf im OLG Dresden aus dem Jahre 2013 mit dem Titel „Forschungsergebnisse zum Wechselmodell“.

In diesem Vortrag beschreibt Sünderhauf ein Wechselmodell als eine Konstellation, in der beide Eltern nach einer Trennung viel Zeit in die Betreuung der Kinder investieren, Verantwortung übernehmen und die Kinder sich auch bei beiden Eltern zu Hause und nicht nur als Gast auf Zeit fühlen. In ihren Ausführungen erkannte ich unsere Situation als Eltern wieder und war darüber zum einen überrascht und erfreut, zum anderen aber auch interessiert, mehr zu erfahren, weshalb ich dann Literatur* dazu gelesen habe.

Der Begriff Wechselmodell löste jedoch bei meiner Ex-Frau enorme Irritationen aus. Allein schon der Gebrauch dieses Wortes führte zu einem Gefühlsausbruch besonderer Art, weshalb ich als Konsequenz daraus diese Bezeichnung für mich gedanklich ihr gegenüber auf eine rote Liste gesetzt habe und unter allen Umständen zu vermeiden versuche.

Ich lege meinen Fokus daher einzig und allein auf die praktische Umsetzung und verschwendete keine Energie darauf, dem Kind einen passenden Namen geben zu dürfen. Das mag paradox erscheinen, nichtsdestotrotz ist es für unsere Kinder viel wichtiger, wie letztendlich der Alltag für sie gestaltet wird.

 

 

Juristische Defizite: „Diese Dysbalance aushalten ist ehrlich gesagt nicht einfach“

In juristischer, wie in finanzieller Hinsicht, besteht meiner Meinung nach noch ein großer Nachholbedarf, um von gerechten Verhältnissen sprechen zu können. Diese Dysbalance auszuhalten ist ehrlich gesagt nicht ganz einfach. Es hat bei bestimmt zwei Jahre gedauert, um einen Weg für mich zu finden, mit dem ich mich nun identifizieren kann, weil er meiner eigenen Gesunderhaltung dienlich ist.

Auf äußere, gegebene Umstände habe ich keinen Einfluss, auch wenn sie noch so haarsträubend, weltfremd, ungerecht und unangemessen sind. Trotzdem lasse ich mir nicht die Möglichkeit nehmen, auf ungünstige Rahmenbedingungen zu reagieren, indem ich frei, unabhängig und bewusst Entscheidungen treffe.

Ich hatte viele Möglichkeiten. Ich hätte mich in Internetforen auslassen können. Ich hätte schlecht über meine Ex-Frau reden können. Ich hätte den Kindern gegenüber Ungerechtigkeiten ansprechen und sie subtil manipulieren können. Ich hätte es mit Gemeinheiten versuchen können. Ich hätte Anträge bei Gericht stellen können. Ich hätte beim Jugendamt vorsprechen können und so weiter und so weiter. Hätten unsere Kinder davon profitiert? Wäre es mir dadurch mittel- und langfristig besser gegangen? Hätte ich danach noch in den Spiegel schauen können?

Zum Glück, so denke ich heute, habe ich mich seit Beginn unserer Trennung wohlüberlegt für einen anderen Weg entschieden. Dieser Weg war und ist teilweise sehr anstrengend. Im Sport jahrzehntelang eingeübte Tugenden wie Disziplin, Frustrationstoleranz sowie Ausdauer und Optimismus haben mir dabei stets sehr geholfen. Gleichwohl bin ich davon überzeugt, dass es keine Alternative dazu gibt.

 

Über sich selbst hinauswachsen: „Dabei orientiere ich mich an den Grundsätzen von Nächstenliebe und Vergebung.“– Selbsthilfe durch Meditation

 

Das ist einfacher aufgeschrieben, als in der Praxis umgesetzt und gelebt. Das schließt auch nicht aus, dass mich manchmal Anflüge von Selbstmitleid und Zweifel heimsuchten. Meine Absicht war gewesen, dass ich durch das Zerbrechen unserer kleinen Familie nicht als verbitterter, frustrierter, pessimistischer und misstrauischer Mensch zurückbleiben wollte. Ich wollte aus meinen Fehlern lernen und an den Aufgaben wachsen, die manchmal unmenschlich erschienen.

Übrigens, ich bin in keiner Weise religiös. Durch die oben angedeuteten Herausforderungen habe ich, obwohl ich mir das niemals hätte erträumen lassen, mit dem Meditieren begonnen. Eine solche Aktivität hätte ich noch vor Jahren als esoterischen Schwachsinn abgetan. Außerdem achte ich penibel auf mein eigenes Wohlbefinden und pflege meine musikalischen und sportlichen Hobbys. Schließlich gibt es auch ein Leben jenseits von Kindern und Ex-Frau – und das ist auch gut so.

Der Ex-Partnerin in Meditationen gedanklich mit Mitgefühl und Nachsicht zu begegnen, ihre Stärken zu betonen und sie zu loben, anstatt mit Rachegelüsten oder Schadenfreude, ist keine leichte Übung. Aber es lohnt sich wohl?

 

 

"Kinder im Blick behalten und wegen ihnen ständig im Dialog bleiben“

War es anfänglich mir untersagt worden, bei Übergaben der Kinder die Wohnung der Mama zu betreten, so ist es heute möglich, gemeinsam am Küchentisch über Erziehungsprobleme zu sprechen, Veranstaltungen der Kinder gemeinsam zu genießen, schulische Entscheidungen als wirkliches Elternpaar zu treffen oder sogar einen Kindergeburtstag zusammen zu planen und durchzuführen. Und darum geht es – die Kinder im Blick zu behalten und wegen ihnen ständig im Dialog zu bleiben.

Neben viel Hoffnung, Geduld und Nachsicht war es auch von großer Bedeutung, dass ich mich nach über einem Jahr endlich entschließen konnte, die Gespräche auf der kirchlichen Beratungsstelle zu beenden.

Stattdessen gab mir ein Rechtsanwalt eine Adresse von einem anderen Berater, dem es in nur einer Sitzung anscheinend gelang, die Mutter zum Nachdenken zu bewegen. Sehr einfach nachvollziehbar und sehr anschaulich mit Hilfe von Zeichnungen erklärte er die Bedeutung von Kommunikation der Eltern untereinander und das auch bzw. gerade nach einer Trennung. Jedes Kind, so meinte er, ist zur Hälfte Mama und zur Hälfte Papa und der Elternteil, der sich Gesprächen verweigert oder schlecht über den anderen Elternteil redet schadet seinem eigenen Kind und dessen Identitätsentwicklung. Seine Ausführungen waren klar, nicht anklagend und voller Empathie. Dennoch stelle ich mir die Frage: Gibt es eine Garantie, dass unser gegenwärtiger Zustand auf der Elternebene so bleibt? Leider nein, da bin ich Realist genug.

 

 

Juristische Verfahren vermeiden

Erwähnen möchte ich noch, dass ich die Rolle von Familienanwälten allgemein sehr kritisch sehe und deshalb auch viel Zeit in eine gründliche Suche nach positiven Ausnahmen gesteckt habe. Die Familienanwälte verdienen einen Großteil ihres Einkommens mit dem Leid, der Überforderung und den verletzten Gefühlen von Eltern. Warum gibt es in Deutschland keine Beratungspflicht für Kommunikation verweigernde Elternteile?

Nun, bei Schriftverkehr zwischen unseren Anwälten vor der Scheidung war mir der übermittelte Inhalt und der angeschlagene Ton sehr wichtig, weshalb ich auch in einem Fall darauf bestand, jeden Brief vor dem Absenden „Korrektur lesen“ zu dürfen, um das sensible Pflänzchen der sich entwickelnden Kommunikationsbereitschaft nicht zu zertrampeln.

Mein Anliegen war immer gewesen, fremde Menschen, die für ihre Leistungen ein üppiges Honorar bekommen, von unseren Kindern fernzuhalten. Diese Haltung habe ich auch gebetsmühlenartig meiner Exfrau immer wieder mitgeteilt und bis zum heutigen Tag konnte das glücklicherweise so umgesetzt werden.

Trotzdem würde ich natürlich sofort, das heißt innerhalb eines Tages, mit einem Rechtsanwalt, den ich über die ISUV–Berechtigungsscheine kennengelernt habe, aktiv werden, wenn grundlegende Angelegenheiten, die das Wohl der Kinder beeinträchtigen würden, betroffen wären. Dazu zählt beispielsweise eine mögliche Verletzung des Aufenthaltsbestimmungsrechts, wozu es hoffentlich niemals kommen wird.

Dankbar bin ich auch dafür, dass ich durch ISUV Menschen begegnen konnte, – im Speziellen einem Kontaktstellenleiter – die sich auskannten und die auch auf Ausgleich bedacht waren und sich nicht auf die Fahnen geschrieben hatten, andere zu verteufeln. Diese Menschen suchen nach positiven Lösungen, die für alle annehmbar sind, den Kindern zu Gute kommen und projizieren nicht eigene negative Erfahrungen auf andere Personen.

 

 

Trennung verarbeiten – Umgang stabilisieren – Fehler reflektieren – Neuanfang wagen

Um meine Geschichte abzuschließen fehlt aber noch eine wesentliche Begegnung in meinem Leben. Ganz bewusst habe ich mir das für das Ende aufgehoben, denn das Beste kommt bekanntermaßen zum Schluss.

Sofort nach meiner Trennung habe ich auch zwei bis drei Gespräche mit einer Psychologin geführt, da ich die Trennung, die sich für mich schon viele Jahre vorher angebahnt hatte, selbstkritisch, aber auch nicht selbst zerfleischend, verarbeiten wollte, um wieder mit Freude und Neugierde in die Zukunft blicken zu können. Besorgt und erschrocken war ich über mich selbst und die Tatsache, dass ich oftmals nur noch funktioniert hatte und mir selbst stellenweise gefühlskalt vorkam. In den wenigen Gesprächen konnte die Psychologin mich beruhigen und mir vergewissern, dass es so etwas wie neuronale Plastizität gibt, das heißt die Möglichkeit, dass Nervenzellen und das Gehirn sich neu anpassen und umlernen können.

Eine neue Beziehung konnte ich mir für die kommenden fünf Jahre trotzdem nicht vorstellen. Ich wollte einfach meine Ruhe haben und den Zustand genießen, in dem mir niemand mehr weh tat. Trotzdem wusste ich ganz genau, welche Vorstellungen ich nun von einer Beziehung hatte. Bei meiner ersten Ehe war ich Anfang zwanzig gewesen und hatte mir über solche Fragen keinerlei Gedanken gemacht und mich einfach in ein Abenteuer gestürzt. Dies war ein Fehler gewesen, den ich jedoch nicht bereue. Denn trotz allem habe ich viele tolle Dinge erleben dürfen und Erfahrungen gemacht, die mich heute als Menschen ausmachen. Und wir haben zwei Kinder. Das ist wunderbar!

Meine Haltung nach der Trennung könnte man vielleicht so zusammenfassen: Ich war offen für alles und rechnete sowieso nicht damit, dass es jemanden geben könnte, mit dem ich eine erfüllende Beziehung führen könnte.

Somit passierte das, was ich eigentlich nicht unbedingt angestrebt hatte. Ich begegnete einer Frau, die mich sofort innerhalb weniger Minuten so faszinierte, dass ich sie nicht mehr vergessen konnte. Alle aktiven Versuche, sie aus meinem Bewusstsein wieder zu löschen schlugen fehl, sodass ich meinem Gefühl schließlich nachgab und mir die Mühe machte, sie kennenzulernen. Dabei setzte ich auch meinen Verstand ein und diese Kombination war bestimmt nicht verkehrt.

Jetzt haben wir ein gemeinsames, kleines Kind und wohnen auch zusammen. Das Miteinander mit allen beteiligten Personen läuft überraschenderweise gut. Die beiden Großen haben ihr kleines Halbgeschwisterchen von Anfang an ins Herz geschlossen und die Kleine profitiert unheimlich von ihren großen Geschwistern.

Ich selbst nehme meine Situation so wahr, dass ich mir sage, dass ich dieses Glück verdient habe und ich versuche die unzähligen kleinen Momente im manchmal hektischen Alltag bewusst zu genießen und denke dabei manchmal an den Song „Wie man es auch dreht“ von Joris:

„Statt Geld ham wir uns Glück geklaut Komm wir drehen auf, wir leben laut. Wie man es auch dreht und wendet, zählt: wir ham gelebt Was uns wirklich trägt, ist das was liebt, ist das was lebt.“ (Joris)


Lebenswerter Status quo für die Familienmitglieder

Zu erwähnen gilt, dass der Alltag dadurch nicht ruhiger und weniger anstrengend geworden ist, da sehr viel koordiniert und vor allen Dingen besprochen werden muss. Auch die verschiedenen Rollen und Erwartungen sind ständig Anlass für Gespräche. Die Bedürfnisse aller Personen im Blick zu behalten ist stets eine Herausforderung und ohne Zuhören und Reden wäre das wohl nicht möglich. Das alles ist in dieser Form so auch nur umsetzbar, weil meine Partnerin ein so großes Herz hat und ein außergewöhnlicher Mensch ist. Unser beider Leben ist momentan hoch intensiv und voller Liebe und dafür bin ich unendlich dankbar.

Auch weiß ich es zu schätzen, dass meine Ex-Frau mit der Patchworksituation so unproblematisch umgeht und den Kontakt zu meiner Lebensgefährtin und unserem Kind nicht scheut und nicht auf andere Art und Weise negativ interveniert.

In Trennungssituationen werden leider oft weitere Bezugspersonen von Kindern vergessen, wie beispielsweise deren Großeltern. Die mögliche große Bedeutung von Omas und Opas ist mit Sicherheit vielen Menschen bewusst. Meine beiden großen Kinder haben das Glück, dass sie auch nach dem Auseinandergehen ihrer Eltern auf Oma und Opa zurückgreifen können, genauso wie ihr kleines Geschwisterchen.

 

 

Zwischenfazit aus all den Geschehnissen und Entwicklungen

Zunächst einmal habe ich großes Mitgefühl für alle die Elternteile, die mit Absicht vom anderen Elternteil ausgegrenzt und erniedrigt werden. Das hat kein Mensch verdient, vor allen Dingen auch nicht die betroffenen Kinder.

Ich wünsche mir, dass die Politik endlich im 21. Jahrhundert ankommt und aufhört so zu tun, als müsse erst wissenschaftlich durch Studien wie PETRA nachgewiesen werden, dass Kinder keinen Schaden davontragen, wenn Eltern auch nach einer Trennung beide für ihre Kinder da sein wollen. Ich erachte es als vollkommen selbstverständlich und als Grundrecht von Kindern und Eltern gleichermaßen, dass Eltern auch nach einer Trennung Eltern bleiben wollen, anstatt zu „Umgang“ herabgewürdigt zu werden.

Am eigenen Leib musste ich erfahren, wie groß und existentiell bei einer Trennung die Angst davor ist, den Kontakt zu den eigenen Kindern zu verlieren. Wie groß muss dann erst diese Angst und Unsicherheit bei den Kindern sein?

Das Wechselmodell ist für mich eine mögliche Antwort für die Elternpaare, die sich beide einbringen wollen in die Betreuung und die Erziehung ihrer Kinder. Dazu gehört meines Erachtens auch die Bereitschaft beider Eltern, für die finanzielle Absicherung der Kinder nach eigenen Kräften und Möglichkeiten zu sorgen.

Letztendlich geht es um das viel beschworene Wohl der Kinder und diese benötigen nicht einen festen Wohnort, sondern im Idealfall zwei Elternteile, bei denen sie sich geborgen, in Sicherheit, geliebt und zu Hause fühlen.

 

Was zeigt der „Fall“ – Wann glückt das Wechselmodell?

Etwas ironisch verkürzt, könnte man sagen, am besten, wenn man das „Kind nicht beim Namen nennt“. Der Name flößt bei „ängstlichen“ Menschen Furcht und Schrecken ein – insbesondere sind dies Frauen, Mütter.

Und dies ist zu einem Stück verständlich, denn der Name Wechselmodell ist unglücklich gewählt: Da ist die Trennung, Mann/Frau hat „gewechselt“, noch schlimmer Frau/Mann wurde „ausgewechselt“. Und jetzt setzt sich die Assoziation – bewusst oder unbewusst – fest, jetzt noch ein „Wechsel“, dann noch die Kinder, von deren ausschließlichem Verbleib nach heutiger Rechtsprechung und Gesetzeslage bei nicht wenigen Müttern die wirtschaftliche Existenz abhängt. Natürlich macht das Angst, umso mehr Angst je mehr dies bestritten wird. Diese Angst müssen Betroffene ernst nehmen. Das zeigt „dieser Fall“. Es gilt diesen labilen Zustand aufzufangen.

Die Politik ist gefragt, die Rechtsprechung stößt an Grenzen. Der Gesetzgeber muss eine klare Weichenstellung treffen und das Wechselmodell akzeptieren, Rahmenbedingungen schaffen, aufklären,... kurz das Wechselmodell – oder wie immer man den Strukturrahmen für erweiterten Umgang benennt – aus dem zwielichtigen mit Vorurteilen belasteten Status holen. Das Wechselmodell muss legitimiert und gefördert werden. Es muss gefördert und gefordert werden, dass die Kinder nach Trennung und Scheidung keinen Elternteil verlieren müssen, es muss gefördert und gefordert werden, dass Eltern miteinander sprechen, sich absprechen, kooperieren im Interesse der Kinder – und im eigenen Interesse.

Der Fall zeigt aber auch, eine gesetzliche Regelung ist notwendig, um die überwiegend weiblich besetzte „professionelle Beratung“ in die Spur zu bringen. Wenn es ums Kindeswohl geht, ist Gendergesinnung schädlich. Leider spielt diese bei der Beratung nicht unerheblich mit. Das „Bauchgefühl“ darf nicht Richtschnur für die „professionelle“ Beratung sein. Auch andere bisher uns zugesandte Skizzen über Verlauf und Scheitern des Wechselmodells zeigen, die „professionelle Beratung“ ist wichtig, wenn Eltern das Wechselmodell praktizieren wollen. Die „Beratung“ läuft meist so, wie im aufgezeigten Fall. In zwei Fällen werden in mehreren Sitzungen – anstatt Mut zu machen und lösungsorientiert zu arbeiten – Ängste geschürt. Ein Paradigmenwechsel in der Beratung von Jugendamt und von Kirchen sowie Wohlfahrtsverbänden betriebenen Beratungsstellen muss her, den kann nur der Gesetzgeber einleiten.

Eine gesetzliche Regelung ist auch notwendig, um ein kindeswohlfeindliches Verhalten zu unterbinden. Es darf nicht sein, dass ein Elternteil einfach nur zu jeder Kooperation mit dem anderen Elternteil nein sagen muss, den Kindern einen Elternteil wegnehmen und dann auch noch dafür den ganzen Unterhalt kassieren kann. Der Gesetzgeber muss sich dafür unterhaltsrechtlich, sozial- und steuerrechtlich etwas einfallen lassen. Fakt ist, dass wirtschaftliche Interessen – auch wenn dies bestritten wird – und Angst die Kinder zu verlieren im Vordergrund stehen.

Eines wurde vom Betroffenen sehr gut erkannt, die Möglichkeiten übers Familienrecht eine Regelung im Sinnes des Wechselmodells zu erreichen, sind momentan sehr begrenzt. Werden dennoch Versuche unternommen, so scheitern sie, führen in der Regel zu Eskalation und sind zum Scheitern verurteilt.

Der Fall zeigt aber auch: Rücksichtnahme, Empathie, ein gerütteltes Maß an Selbstdistanz und Selbstkritik, Geduld, Durchhaltevermögen, Frustrationstoleranz, Flexibilität, gegenseitiger Respekt sind Verhaltensregeln, die letztendlich zielführend sind. „Befehle“, Fingerhakeln, Machtspiele, Machtrituale sind eher nicht zielführend.

Alle, die das Wechselmodell a priori ablehnen, werden jetzt sagen: „Das kann nicht jeder Mensch.“ Richtig, von Haus aus kann das niemand, aber Frau/Mann kann das lernen. Das Beispiel zeigt, jeder kann/muss bei der Umsetzung des Wechselmodells „menschlich wachsen“. Nicht zuletzt kann das Wechselmodell Ferment sein die Trennung zu überwinden und einen positiven Neuanfang zu wagen.

„Meine Absicht war gewesen, dass ich durch das Zerbrechen unserer kleinen Familie nicht als verbitterter, frustrierter, pessimistischer und misstrauischer Mensch zurückbleiben wollte“, stellt der Betroffene fest. Ja, darum geht es. Gar nicht so selten führt Trennung und Scheidung Menschen in Arbeitslosigkeit, Krankheiten, Resignation. Dadurch entstehen neben dem menschlichen Leid erhebliche volkswirtschaftliche Schäden. Diese gilt es zu überwinden durch gezielte Kommunikation, integrative Strukturen wie das Wechselmodell, mehr Transparenz.

Welche Vor- und Nachteile hat das Wechselmodell?

Vorteile des Wechselmodells für Kinder

  • Engere emotionale Eltern-Kind-Bindung an beide Eltern
  • Mehr und besserter Eltern-Kind-Kontakt
  • Weniger Loyalitätskonflikte
  • Kinder fühlen sich weniger verlassen und ungeliebt
  • Mehr Kontakte mit Familien/Freundeskreisen beider Eltern
  • Geschlechtergerechtere Rollenvorbilder
  • Teilhabe an den Ressourcen beider Eltern

 

Vorteile des Wechselmodells für Eltern

  • „Kinderfreie Zeit“ für Erwerbstätigkeit, Freizeit, Erholung und Sozialkontakte, neue Beziehungen/Partnerschaft
  • Geschlechtergerechte Lastenverteilung
  • Bessere ökonomische Situation der Gesamtfamilie
  • Finanzielle Unabhängigkeit beider Eltern
  • Konfliktdeeskalation
  • ggf. weniger Schuldgefühle bei Eltern und Kindern

 

Nachteile des Wechselmodells

  • Einschränkung der Elternmobilität
  • Kontakt/Absprachen zwischen Eltern
  • Koordination der Alltagsentscheidungen
  • Mehrkosten (geringfügig?)
  • evtl. Verlust von Unterhaltsansprüchen
  • Gesetzeslage: Wechselmodell passt nicht ins rechtliche System (Sorge/Umgangsrecht, Steuerrecht, Sozialrecht, Unterhaltsrecht, Melderecht, etc.)
  • Organisationserfordernis

ISUV informiert