Dient das Umgangsrecht des leiblichen Vaters dem Kindeswohl?

Diese Frage bejahte der Bundesgerichtshof (BGB) im vorliegenden Fall (Beschluss vom 05.10.2016 - XII ZB 280/15), weil der Vater von Geburt an ein „ernsthaftes Interesse“ an den Kindern gezeigt hat. „Wir begrüßen das Urteil, weil es die Identitätsfindung von Kindern verbessert, indem es das Umgangsrecht des leiblichen Vaters stärkt. Starres Nein sagen genügt nicht, um den Umgang mit den leiblichen Kindern zu verhindern“, stellt der ISUV-Vorsitzende, Rechtsanwalt Ralph Gurk fest. Das Urteil hat grundsätzliche Bedeutung, weil darin konkrete Bedingungen für den Umgang des leiblichen Vaters genannt sowie Prinzipien für die „Rollen“ von leiblichem Vater, rechtlichen Eltern, Familienrichtern und Gutachtern skizziert werden.  

Ausgangspunkt

Für den BGH steht das Kindeswohl im Mittelpunkt. Es geht darum, den Kindern „eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung und Identitätsfindung“ zu sichern. Kinder haben ein Recht darauf ihre „wahre Abstammung“ zu erfahren. Der BGH räumt ihnen daher ein grundsätzliches Recht auf Information und Anhörung ein. Kinder dürfen nicht „durch die Vorenthaltung des Wissens um die wahre Abstammung gleichsam zu bloßen Verfahrensobjekten herabgestuft“ werden.

Verhaltensmaximen

Wenn sich der leibliche Vater immer wieder bemüht, wie in diesem Fall von Geburt an, so steht ihm ein Umgangsrecht mit den Kindern zu. Der BGH wertet dieses stetige Bemühen als einen wichtigen Aspekt für „ernsthaftes Interesse“. Dies wiederum ist die Grundvoraussetzung für ein Umgangsrecht des leiblichen Vaters.

Die rechtlichen Eltern dürfen den leiblichen Vater „nicht generell als Störenfried der rechtlich behüteten Familie“ sehen. Sie müssen ein Umgangsrecht im Interesse des Kindeswohls zulassen, auch wenn der Kontakt mit dem biologischen Vater eine „seelische Belastung“ bedeutet. Eltern müssen das Kind, sofern der leibliche Vater Umgang möchte, die Kinder „ab einem gewissen Alter“ – im vorliegenden Fall 10 Jahre – über die „wahre Abstammung“ unterrichten.

Der BGH legt auch fest, dass Richter und Gutachter die Kinder hören müssen. Der „Beweiswert eines Gutachtens wird beeinträchtigt, wenn die Kinder zum eigentlichen Gegenstand des Verfahrens“ – sprich Anbahnung von Kontakt zum leiblichen Vater – „nicht befragt werden“. Der Gutachter hat allerdings nur zu explorieren nicht dem Richter eine Entscheidung zu suggerieren.

Im Urteil wird insbesondere – was seitens ISUV immer wieder angemahnt wurde – von Richtern gefordert, dass sie „den Beweiswert des Sachverständigengutachtens hinterfragen“. Richter können sich einfach auf den Gutachter berufen: „Wenn der Tatrichter jedoch eine Exploration der Kinder für erforderlich hält, muss er sich im nächsten Schritt konsequenterweise auch selbst einen persönlichen Eindruck von den Kindern verschaffen.“ Sind die Eltern nicht in der Lage die Kinder aufzuklären, so ist dies Aufgabe des Richters, wobei er „Persönlichkeit des Kindes, seine Entwicklung, seine Verstandesreife“ zu berücksichtigen hat.

Bedeutung

„Die Richter heben die Rolle des biologischen Vaters hervor und stärken sie. Das Urteil skizziert darüber hinaus Verhaltensmaximen, wenn es grundsätzlich um die Anbahnung von Umgang geht. Die Richter heben hervor, dass für eine gesunde Identitätsfindung die Kenntnis beider Eltern wichtig ist. Sie setzen damit Artikel 8 der UN-Kinderrechtskonvention um. Darüber hinaus betonen sie die Pflicht des Richters zur Unabhängigkeit und Prüfung des Gutachtens“, betont ISUV-Pressesprecher Josef Linsler.

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